Na, dann gebe ich meinen Senf auch noch mal dazu, aber Achtung, das könnte lang werden
Grundsätzlich ist der erste Unterschied zwischen Gebiss und Gebisslos, dass sämtliche gebisslose Zäumungen NICHT für einen dauerhaften stetigen Kontakt zum Pferdemaul gedacht sind, wie es ja z. B. beim englischreiten erwünscht ist. Wer seine Pferde gerne sehr intensiv und in höhere Klassen dressurmäßig ausbilden möchte, der wird früher oder später an Grenzen stoßen bezüglich der Beizäumung (Aufrichtung). Man kann aber durchaus ein Pferd gut gymnastizieren, wenn man in der Lage ist, dies ohne Zügeleinsatz zu tun, also hauptsächlich über Gewicht und Schenkel.
Die gebisslosen Zäumungen unterscheiden sich in der Wirkung:
Das Sidepull / Lindel wirkt auf den Nasenrücken und seitlich weisend und ist daher für Leute, die gerne Dressur reiten, eigentlich noch am besten geeignet. Es muss so fest verschnallt sein, dass es nicht am Kopf herumrutscht. Die Härte der Einwirkung hängt vom Nasenstück ab (Seil einfach oder doppelt, Leder, Lammfell etc.).
Die Hackamore (mechanisch) gibts ebenfalls mit unterschiedlich harten Nasenstücken (Leder gefüttert, Metall mit Leder umwickelt etc.) und mit langen oder kurzen Anzügen. Sie wirkt durch die Hebel auf Nasenrücken, Kinn und Genick. Es sind keine seitwärtsweisenden Hilfen möglich und es ist nicht unbedingt für Pferde geeignet, die sich sowieso gerne einrollen, weil man sie damit nicht hochholen kann. Die Hackamore sollte so verschnallt sein, dass der Druck bei ca. 25° Annahme der Anzüge erreicht wird (also ein Finger sollte noch Platz haben zwischen Nasenrücken und Nasenstück). Bei harter Hackamore und langen Anzügen kann man dem Pferd sehr weh tun!
Das Glücksrad wirkt ähnlich wie die Hackamore, wobei man hier ja auch die Zügel in ganz neutrale Stellung schnallen kann, dann ist es wie reiten mit festem Halfter. Beim Glücksrad ohne Shanks ist die Wirkung noch weicher als beim Hackamore.
Das Bitless Bridle wurde schon beschrieben.
Das Bosal oder Vosal arbeitet mit Druck auf den Nasenrücken bzw. die Seiten. Da die Zügel meist unten dran gemacht werden, und nicht an der Seite, eigent es sich eigentlich wirklich nur für Leute, die viel mit Gewicht arbeiten und deren Pferd auf Zügel-an-den-Hals-legen reagiert - also nix für englischreiten-gewohnte.
Knotenhalfter, Bändele, Stallhalfter und ähnliches lehne ich zum Reiten ab (zumindest im Gelände), da es am Pferdekopf zu instalbil ist. Es kann leicht verrutschen, ins Auge geraten oder es kann sich gar ein Ast drunterklemmen... Allerdigns ist es eine gute Übung einmal zu versuchen, das Pferd auf dem Platz mit Halfter und zwei Stricken zu reiten - dann kann man nämlich mal sehen, wie gut man Schenkel und gewicht wirklich einsetzt
Die ersten Reitversuche sollten auf dem Reitplatz stattfinden, bis sich Pferd und Reiter an die neue Zäumung gewöhnt haben. Natürlich ist es sehr schwer, ein durchgehendes Pferd im Gelände gebisslos zu halten - aber ehrlich gesagt kann ich das mit Gebiss auch nicht. Und wer sein Pferd ohnehin nicht mit Zügel sondern mit den anderen Hifen reitet neigt ja selten dazu, einen solchen Druchgänger zu haben
Meine persönlichen Erfahrungen: Aufs Sidepull hat mein Pferd nicht so gut reagiert. Bitless Bridle konnte ich wegen des stattlichen Kinnbehangs vergessen. Wir reiten seit Jahren mit der weichen Hackamore (dickes Lederpolster, kurze Anzüge) im Gelände (am langen Zügel in jeder Gangart) und auf dem Platz. Hier benutze ich die Zügel nur punktuell, z. B. bei langen Kurven zum korrigieren der Kopfhaltung. In der Regel reite ich aber auch dort am langen Zügel, normalerweise reicht es, den Zügel etwas höher zu nehmen, oder zur Seite, durch das veränderte Gewicht kommt schon was vorne an (das nur zum Thema schwammige Hilfen - kommt immer drauf an, wie sensibilisiert das Pferd ist
).
Zwischendurch versuche ich es immer mal wieder mit einem Gebiss, was jedes mal voll nach hinten losgeht, weil meine Stute das Metallstück im Maul einfach total scheiße findet (sogar wenn ich die Zügel gar nicht annehme) und früher oder später die Mitarbeit verweigert. Daher werden wir wohl nie reiterlich große Fortschritte machen, sondern halten uns eben auf unserem Niveau, aber im Grunde wollten wir ja sowieso nie aufs Turnier.